03.06.20

Impuls zur Wochenmitte

Impuls zur Wochenmitte: „Lautmalereien“ - Lautmalerei 11: ER - SIE - ES
https://www.mauritiuskirche-ofterdingen.de/fileadmin/mediapool/gemeinden/KG_ofterdingen/pdf/Lautmalerei_11_-_ER-SIE-ES.pdf

„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“– dieses Lied der Comedian Harmonists (https://www.youtube.com/watch?v=35PCFQtrgJM) begleitet uns durch das heutige Thema, doch vor allem soll wieder einmal ein Bild im Vordergrund stehen. Es geht um Freundschaften. Freunde sind etwas sehr Wertvolles. Freunde unterstützen uns, trösten uns, fordern uns heraus, inspirieren uns. Die Bibel ist voll von guten Freundschaften:
- Engere Freunde als David und Jonathan kann man sich kaum vorstellen: ihre „Herzen verbanden sich“ (1. Sam 18,1), sie gehen miteinander auch durch den größten Schmerz, Jonathan stellt sich für David sogar gegen seinen Vater Saul.
- Als Hiobs ganzes Leben unter ihm zusammengebrochen war, machen sich seine Freunde sofort auf die weite Reise zu ihm und stehen ihm sieben Tage und Nächte schweigend bei und leiden mit ihm mit (dass sie danach dann doch den Mund aufmachen und nicht nur Richtiges, Angemessenes dabei herauskommt – geschenkt!).
- Die Moabiterin Rut folgt ihrer verwitweten Schwiegermutter Noomi in deren Heimatland Israel und ist für sie da, auch wenn das für sie ein Leben in einem fremden Land und in möglicher Ablehnung und Ausgrenzung bedeutet. Die Worte, mit denen Rut ihre Entscheidung bekräftigt, rühren bis heute an: Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden. (Rut 1,16f)
- Und zuletzt die Geschichte der Heilung eines Gelähmten (Mk 2,1-12). Dessen Freunde decken ein Dach ab und seilen ihren Freund herab, um ihm eine heilende Begegnung mit Jesus zu ermöglichen. Das ist Einsatz, Freundschaft durch dick und dünn!
Eine Freundschaft aus viel späterer Zeit bildet die Grundlage für das heutige Bild-Beispiel: Gelb-Rot-Blau ist ein farbintensives Gemälde des russischen Künstlers Wassily Kandinsky aus dem Jahr 1925.
Kreise, Halbkreise, Quadrate, gerade und geschwungene Linien flirren über die Fläche aus Pastelltönen. Die dunklen Kreise: wie Planeten, Sonnen oder Monde - oder sind es glühende Augen und Punkte eines weit in die Länge gezogenen Fragezeichens? Links könnte man den Kopf eines Menschen im Profil mit rot umrandetem Auge entdecken – oder doch den umgekehrten Kopf einer Katze? Geometrische, bunte Farbteppiche, ineinander verschlungene Körper, auf verschiedenen Ebenen schwebende Formen. Das Bild versprüht Fröhlichkeit und regt die Fantasie an, ohne aufzuregen. Dynamik und Harmonie trotz aller Gegensätze, Zuversicht und Optimismus trotz dunkler Passagen – wie in einer Freundschaft eben.
Als das Bild entstand, lebte der Künstler in Weimar und unterrichtete am Bauhaus analytisches Zeichnen. Für Kandinsky war die Bauhauszeit eine besonders aktive Schaffensphase mit viel künstlerischem Austausch mit berühmten Malerfreunden wie Lyonel Feininger, Paul Klee und Alexej von Jawlensky. Kurz vor Entstehung unseres Bildes schlossen sich die vier Maler zur Künstlergruppe "Die Blaue Vier" zusammen. Gelb-Rot-Blau ist ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Zeit des künstlerischen Aufbruchs.
Besonders Paul Klee wurde in dieser Zeit zu einem guten Freund des russischen Malers, beide wurden auch zu Nachbarn in einem gemeinsamen Wohnhaus in Dessau. Bei aller Freundschaft repräsentierten sie dennoch zwei sehr unterschiedliche Typen am Bauhaus, charakterlich wie künstlerisch. Und doch kommen sich die beiden in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre künstlerisch erstaunlich nahe. Zum Beispiel nimmt Klee zunehmend geometrische Formen auf, im Gegensatz dazu erhalten figurative Elemente bei Kandinsky vermehrt an Wichtigkeit, auch wenn beide ihren je eigenen Zugang zur Kunst bewahrten. (Die faszinierenden kunstwissenschaftlichen Einzelheiten und Theorien dahinter überlasse ich lieber den Experten.) Die Freundschaft der beiden inspirierte beide gleichermaßen. Eine Freundschaft, die durch schöne, kreative, schaffensreiche Phasen ging genauso wie durch schwere Zeiten der Ablehnung und Verfolgung – und die auch eine räumliche Distanz überwand.
Im Hebräischen gibt es kein eigenes Wort für „Freund“. Verwendet werden in den entsprechenden Fällen Worte wie „Mann“, „Nächster", „Nachbar". Es muss sich immer erst aus dem Kontext ergeben, um welche Art von Beziehung es geht. Wer für uns ein Freund wird, ist nicht ausgemacht, das ergibt sich oft: man geht ein Stück Weg zusammen, man erlebt gemeinsame schöne oder auch schwere Zeiten, man freut sich oder ärgert sich über ähnliche Dinge. Das schweißt zusammen, schafft Vertrauen. Ein Freund liebt allezeit, und ein Bruder wird für die Not geboren. (Spr 17,17) Oder eben: „Ein Freund bleibt immer Freund, auch wenn auch die ganze Welt zusammenfällt.“
In der Bibel werden sogar zwei Freunde Gottes erwähnt: Abraham und Mose. Auch Gott hat Freunde – ein schöner Gedanke! Und ebenso dieser: Jesus Christus, „unser Bruder und Herr“, hat einmal gesagt: Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. (Joh 15,13) Und genau das hat er für uns getan, wir dürfen uns also mit Fug und Recht als seine Freunde bezeichnen!
Wie wäre es denn, wenn Sie sich heute einmal bei einem guten Freund oder einer guten Freundin melden, ob persönlich oder am Telefon, sich auf den neuesten Stand bringen und das bereden, was Ihnen gerade im Kopf herumschwebt oder schwer im Magen liegt? Miteinander reden, miteinander lachen und weinen, miteinander schweigen. Ein treuer Freund ist ein starker Schutz; wer den findet, der findet einen großen Schatz. Ein treuer Freund ist nicht mit Gold aufzuwiegen, und sein Wert ist nicht hoch genug zu schätzen. (Jesus Sirach 6, 14f) In dieses Lied stimmen auch die Comedian Harmonists ein: „Ein Freund, ein guter Freund, Das ist der größte Schatz, den's gibt“! Erfreuen Sie sich an ihren Schätzen – und lassen Sie sich gegenseitig beschenken!

Gelb-Rot-Blau (1925, Öl auf Leinwand, Centre Georges Pompidou Paris, http://www.kandinskywassily.de/werk-52.php)