29.03.20

Gottesdienst zum Selberfeiern

https://www.mauritiuskirche-ofterdingen.de/fileadmin/mediapool/gemeinden/KG_ofterdingen/pdf/2020_03_29_Gottesdienst_zum_Selberfeiern.pdf

Votum
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Begrüßung
Liebe Gemeinde,
schön, dass Sie auch heute wieder dabei sind beim Gottesdienst zum Selberfeiern! Wir beginnen mit einem Lied, dem Wochenlied für den heutigen Sonntag:

Lied: EG 97,1-4 Holz auf Jesu Schulter

2. Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt
Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

3. Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.
Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht!
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

4. Wollen wir Gott loben, leben aus dem Licht.
Streng ist seine Güte, gnädig sein Gericht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

Eröffnung
Heute ist der fünfte Sonntag der Passionszeit, der Sonntag Judika. Judika heißt auf Deutsch „Schaffe mir Recht, Gott“. Heute steht Gott im Zentrum als der dienende Gott, der gerecht machende Gott, der weiter sieht als wir, und dessen Wege wir so oft nicht verstehen. Und sein Weg heute führt ihn dahin, wo wir gerade nicht hindürfen: nach draußen.
Der Wochenpsalm ist Psalm 43 – herzliche Einladung ihn nun zu beten.
Psalm 43 (EG 724)
Gott, schaffe mir Recht
und führe meine Sache wider das unheilige Volk
und errette mich von den falschen und bösen Leuten!
Denn du bist der Gott meiner Stärke:
Warum hast du mich verstoßen?
Warum muss ich so traurig gehen,
wenn mein Feind mich dränget?
Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten
und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung,
dass ich hineingehe zum Altar Gottes,
zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist,
und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist. - Ehr sei dem Vater

Gebet und Stilles Gebet
Guter Gott,
Die Zeit deines Leidens und Sterbens rückt langsam näher. Du machst dich für uns auf diesen Weg – danke dafür!
Auch, wenn wir diesen Gottesdienst wieder Zuhause statt in der Kirche feiern müssen, lass uns wissen, dass wir mit deiner ganzen Gemeinde verbunden sind.
Schenke uns jetzt eine Zeit der Ruhe, mache uns frei von unseren Ängsten und von allem, was uns ablenkt. Gib uns gute Gedanken und mach uns still.
Stille
Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet. Amen.
Predigt
Treten Sie gedanklich einmal vor die Tür. Ich weiß, ich weiß: ohne triftigen Grund sollten Sie das im Moment wohl nicht tun, aber Sie tun es ja auch nur in Gedanken. In den letzten Tagen haben wir sicherlich den Sonnenschein auf unserem Gesicht gespürt und Vogelgezwitscher gehört, doch an anderen Tagen könnte Ihnen genauso gut ein scharfer Wind ins Gesicht peitschen, heftiger Regen Ihnen die Sicht nehmen und Sie frösteln lassen. Vor der Tür, da erwarten uns Wind und Wetter, fremde Menschen, unwägbare Situationen.
Setzt man nun einen Schritt vor den anderen, hinaus auch aus der Stadt, mutig voran und hinein in das Unbekannte, dann könnten dort Abenteuer auf uns warten. Mir drängt sich dabei die Geschichte vom „Hobbit“ von J.R.R. Tolkien auf, den man gut und gerne als wachechten Stubenhocker bezeichnen könnte und den seine Füße dennoch in die weite Welt führten. Erst einmal ist es jedoch die Fremde, die uns erwartet. Unsicherheit. Kein Dach über dem Kopf, keine Küche samt Kammer, die ausreichend mit Nudeln und Toilettenpapier gefüllt ist, keine warme Bettdecke, und vor allem: keine vertrauten Menschen, die uns stärken oder für uns da sind.
Der Predigttext für diesen Sonntag steht im Hebräerbrief (Hebr 13,12-14). Darin werden wir aufgefordert, Jesus vor die Tür zu folgen, genauer: vor das Stadttor, raus aus der sicheren Umgebung.
12 Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.
13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen.
14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
Im Tor, im großen Stadttor, wurde im alten Israel Recht gesprochen. Außerhalb des Tores, da wurde es vollstreckt, da ist man in jeder Hinsicht „draußen“: ungeschützt, allein, ausgestoßen, da ist das Urteil gesprochen und es trifft einen mit aller Härte.
Draußen vor die Tore Jerusalems, da kommen die hin, die die menschliche Gemeinschaft ausgekotzt hat. Jene, die unsere schöne Gemeinschaft besudeln, die nicht mehr zu uns gehören sollen. Draußen vor dem Tor, da ist die Müllkippe für alles Unreine und Verdorbene. Schon im Ritus des alttestamentlichen Versöhnungstages, auf den hier angespielt wird, packt Israel all seinen Unrat auf den Sündenbock und jagt ihn zum Tor hinaus, packt all seine Unreinheit auf die begleitenden Opfertiere und verbrennt sie da draußen vor dem Tore.
Dort hinaus musste auch Jesus gehen und leiden: vor das Tor, hin zu seiner Richtstätte, genannt Golgatha. In die Kälte der Nacht, umgeben von Spott, Schande und Tod. Schutzlos und gottverlassen, so sieht es aus, außerhalb der sicheren Stadttore.
Jesus lässt hier das Urteil über sich sprechen, er lässt sich stellvertretend für uns aus der Gesellschaft ausschließen. Damit heiligt er das Volk, so heißt es hier, er reinigt es. Prima Sache, geht mir durch den Kopf, kaum ist der Sündenbock draußen vor dem Tor, bin ich all das los, was mich vor Gott und den Menschen belastet hatte.
Draußen vor den Toren Jerusalems, da kommen die hin, die die menschliche Gemeinschaft ausgekotzt hat. Doch diesmal sind wir es, die dorthin sollen!
Was erwartet uns dort? – Den schlimmsten Fall haben wir hier gleich vor Augen: verhöhnt, geschlagen, verurteilt werden: wie Jesus körperlich und seelisch fertig gemacht werden. Doch geschieht das, zu meiner eigenen Beruhigung, zumindest in unserer heutigen Gesellschaft doch ziemlich selten. Und trotzdem ist es hart: sich hinaus begeben aus allem, was mir Heimat und Schutz bietet, im Auftrag Gottes, und das für Menschen, die es äußerlich betrachtet nicht im geringsten verdienen, dass man sich für sie einsetzt. Das ist es, was Jesus Christus für uns getan hat! Und genau das sollen wir nun auch tun: hinaustreten und uns statt um uns selbst einmal um die ganz anderen kümmern!
Stellen wir uns diesem Gedanken einmal. Wie könnte das also konkret aussehen?
Naheliegend finde ich es, dabei an die gesellschaftlich ganz anderen zu denken: Obdachlose, Verarmte, Geflüchtete. Dabei stelle ich vielleicht ja fest, dass sie gar nicht so anders sind? Wer weiß…
An wen ich aber auch denke: an all die, deren Leben und deren Ansichten mir so fremd sind. Die ich meide und über die ich höchstens rede statt mit ihnen. Die ich nicht verstehe und vielleicht sogar verachte.
Tun wir es Jesus nach! Verlassen wir unsere Sicherheit, unsere Comfort-Zone, wenigstens innerlich, und gehen einmal auf die zu, die uns am fernsten liegen. Auch zu diesen ist Jesus nämlich gegangen! Mit seinem Gang vor das Tor hat er sich in die dunkelste Dunkelheit begeben, hin zu diesen Verurteilten und Entrechteten, denen niemand sonst (mehr) eine Chance geben würde.
Und nicht umsonst ist es ja ein Verbrecher gewesen, zu dem Jesus mit fast seinen letzten Worten gesagt hat: „Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein“!
Es lohnt sich also, so ein Gang hinaus, in die Fremde und in die Dunkelheit.
Das ändert allerdings nichts daran, dass mir allein die Vorstellung daran die Beine schwer werden lässt.
Doch der Hebräerbrief schiebt gleich noch etwas hinterher, einen Trost, eine Perspektive. Ja: wenn wir Jesus in die Dunkelheit folgen, dann erwarten uns dort nicht nur Lob und Anerkennung, sondern Gegenwind, Zweifel, vielleicht auch Spott. Aber dort, in dieser Dunkelheit, ist mehr: da ist nämlich auch ein neues, von außen ungesehenes Licht, und ein anderes, ein weiteres Zuhause. Das ist die Perspektive auf dieses schon erwähnte „Paradies“, hier im Bild der zukünftigen Stadt Jerusalem! Die herrliche neue Stadt wird ja in der Offenbarung (Offb 21) ganz ausführlich beschrieben – wenn Sie einmal von Gold und Edelsteinen träumen wollen, lesen Sie das nach! Und dort gibt es weiterhin diese Stadttore. Diesmal werden sie aus Perlen sein, und vor allem: die, die vorher draußen waren, die werden von Jesus nun hineingeholt, zurück in die Stadt, und sie werden gereinigt und ihre Tränen werden getrocknet.
Jesu Gang vor das Tor, hinaus in die Dunkelheit, hat diese Dunkelheit verändert. Nun gehört er plötzlich dorthin: draußen vor dem Tor ist Gott, da ist sein Sohn Jesus Christus bei den Ausgestoßenen und Ausgegrenzten, den Verbrechern, den Entwurzelten, die sich nirgends zugehörig fühlen, überall übrig und nicht gewollt. „Finsternis ist nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht.“ (Ps 139,12)
Und wir dürfen, nein, wir sollen ihm dorthin folgen. Vor das Tor, in die Dunkelheit, hinaus aus unserer Behaglichkeit. Das kostet Mut, das kostet Kraft. Doch da gehören wir hin: zu Jesus Christus, der für uns alles auf sich genommen hat, der alles mitleidet und mitträgt. Das hat er schließlich auch für mich gemacht, trotz aller Dunkelheit, die ich in mir sehe!
Und wie er möchte auch ich nicht zu schnell fertig sein mit jedem. Ich möchte mein Urteil über andere nicht vorschnell fällen, am besten es sogar ganz sein lassen zu urteilen. Ich möchte mich nicht bequem dem anschließen, was alle anderen denken und sagen. Ein Urteil steht mir sowieso nicht zu!
Sondern ich möchte weitergehen, weitersuchen. Mich nicht einfach behaglich drinnen einrichten, während draußen gelitten wird.
Schritte ins Unbekannte, auf Menschen zu, die mir innerlich suspekt oder unsympathisch sein mögen. Ich möchte mitleiden und mittragen, auch ohne darin einen Vorteil für mich selbst zu sehen.
Ich möchte hinausgehen und mit meinen kleinen Möglichkeiten das Dunkle ein wenig heller und erträglicher machen.
Das sind große, fast pathetische Vorhaben - und wieder einmal große Fußstapfen, in die wir hier treten sollen, wenn wir Jesus auch auf diesem Weg hinaus folgen sollen. Sind wir dazu überhaupt in der Lage?
Ich nehme mir vor es zu versuchen. In diesen Tagen, in denen ich ja das Haus eigentlich nicht verlassen sollte, begnüge ich mich einmal damit, gedanklich hinauszugehen, neue Wege zu suchen. Und dann bin ich vorbereitet, um es dann auch äußerlich in die Tat umzusetzen und hinauszugehen.
Vielleicht fange ich mit einer ganz konkreten Herausforderung an: ich denke an die Person an meinem Arbeitsplatz, in meiner Nachbarschaft, die ich am wenigsten mag oder mit der mich am wenigsten zu verbinden scheint. Und dann nehme ich mir vor, innerlich einmal ganz von vorne anzufangen, bei Null, und dieser Person eine ganz neue Chance zu geben. Vielleicht werde ich überrascht, vielleicht auch nicht. Aber einen Versuch ist es wert!
- Und wenn ich selbst es bin, der oder die sich gerade ausgeschlossen, verurteilt, allein und schutzlos fühlt?
Dann möchte ich darauf vertrauen: er, mein Gott, ist ja schon dort, mitten in meiner Dunkelheit, und er trägt auch mich.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied: NL 152 Herr, wohin sonst sollten wir gehen

Fürbittgebet und Vaterunser
Guter Gott,
manchmal richten wir uns zu gut in unserem Umfeld ein. Bitte fordere uns immer wieder heraus und hilf uns, die anderen ganz neu zu sehen und auf sie zuzugehen.
Wo wir über Mitmenschen schon ein festes Urteil gefällt haben, da vergib uns und gib uns Kraft neu anzufangen.
Gott, danke, dass du uns nicht in unserer Dunkelheit stehen lässt, sondern dass du uns hinterhergehst und uns nicht aufgibst!
Bitte sei du mit all den Einsamen, die mit ihren dunklen Gedanken alleine sind, und sei mit den Familien, für die das enge Zusammenleben eine große Herausforderung ist!
Schenke uns allen Zuversicht, lass uns an deine Güte und Treue glauben und steh uns bei.
Und alles, was uns innerlich umtreibt und was wir nicht so recht in Worte fassen können, legen wir in das Gebet, das du uns mitgegeben hast: Vater unser…

Ansagen
Die Kirche ist weiterhin jeden Tag für Sie geöffnet. Gehen Sie gern hinein und verbringen eine Zeit der Stille, bringen Sie Ihre Gedanken zur Ruhe oder denken an Ihre Familie und Ihre Freunde!
Wenn Sie Hilfe benötigen oder jemanden zum Reden, rufen Sie jeden Tag (außer sonntags) zwischen 9 und 12 Uhr an unter: 07472/2061505. Hier hört Ihnen jemand zu und vermittelt Hilfe.
Hier noch zwei Hinweise für die Kinderkirche: Neben der Kinderkirche zum Selberfeiern von Sabine Jablonski (s. Homepage) gibt es noch Angebote auf Youtube zum Mitfeiern, zum Beispiel:
- Der Online Kigo ist ein Kinderkirchprogramm und wurde von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Gemeinden in Karlsruhe, Pforzheim und Umgebung ins Leben gerufen, zu finden unter: https://www.youtube.com/channel/UCsnIncp_DV3YPMkif-4Npgg
- Das Kindergottesdienstteam der Michaelis Friedenskirche Leipzig bietet mit Unterstützung der Godly Play-Community, eine Video-Geschichtenreihe durch die Passionszeit bis Ostern an, unter: https://youtu.be/-fnVXjSP7-k
Nächste Woche gibt es einen neuen Gottesdienst – und auch eine Kinderkirche zum Selberfeiern – herzliche Einladung zu beidem!

Segen
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich!
Und nun gehen wir in diesen Tag und in die kommende Woche unter dem Segen unseres Gottes.
Der HERR segne uns und behüte uns,
der HERR lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig,
der HERR erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.

Amen.