17.06.20

Impuls zur Wochenmitte

Impuls zur Wochenmitte: „Lautmalereien“ - Lautmalerei 13: ICH
https://www.mauritiuskirche-ofterdingen.de/fileadmin/mediapool/gemeinden/KG_ofterdingen/pdf/Lautmalerei_13_-_ICH.pdf

Schauen Sie gern in den Spiegel? Gehen Sie gern auf die Waage? Oder löst das eher negative Gedanken aus: Scham, Ungeduld, Neid, Unsicherheit, Verzweiflung,…?
Wir leben im Zeitalter der Selbstoptimierung: jede Nicht-Perfektion ist ein eigener Fehler und alles könnte (scheinbar) einfach durch Disziplin und Willen perfektioniert werden. Wenn uns also nicht zu 100% gefällt, was wir im Spiegel sehen, dann wird das zu unserer eigenen Schuld. Und das wird schlimmer, wenn wir dann auch noch nach draußen gehen und uns anderen zeigen. Wir schielen ängstlich, unsicher auf die anderen: was denken sie wohl über mich? So gern würden wir anderen gefallen, bewundert werden. Wegen unseres Aussehens, wegen unserer Gaben und Charaktereigenschaften, wegen unseres Mutes oder unserer Erfolge.
Was, wenn uns all das nicht bewundernswert erscheint, was wir im Spiegel sehen, oder sogar verachtenswert?
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und verachtet vom Volk. Alle, die mich sehen, verspotten mich, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf. (Ps 22,7f) So hat es schon ein Psalmbeter gesagt. Der Gegenstand von Spott und Lästereien zu sein wird in den Psalmen mit einem Todesurteil gleichgesetzt: ich werde ausgeschlossen, bin isoliert und allein.
Der Begriff „Bodyshaming“ beschreibt die Abwertung oder Verachtung derer, die nicht ins (derzeitige) Bild von Attraktivität oder idealem Aussehen passen. Das ist aktueller denn je, jetzt, da viele ihr Leben in Bildern der Öffentlichkeit zeigen, sich präsentieren. Instagram und Co. sind voll von schönen Menschen in perfekter Umgebung, gemalte Existenzen, die das Selbstwertgefühl einiger erheben – und das Selbstwertgefühl anderer erheblich senken. In beiden Fällen herrscht eine Abhängigkeit vom Urteil anderer, vom Urteil der Gesellschaft, der Welt.
Die erst 18jährige Billie Eilish, die den letzten Bond-Song gesungen hat, hat gesagt: „Ich möchte, dass die Welt niemals alles über mich weiß. Deshalb trage ich weite, schlabberige Kleidung. Niemand kann sich eine Meinung bilden, weil sie nicht gesehen haben, was darunter liegt. Niemand kann sagen: ‚Sie hat einen flachen Hintern, sie hat einen fetten Arsch!’ Niemand kann solche Meinungen haben, weil sie es nicht wissen“. Und doch hat sie erst vor zwei Wochen ein eindrückliches Video von sich selbst veröffentlicht, in dem sie doch ihren Körper zeigt – und damit jedes Bodyshaming anprangert (https://www.youtube.com/watch?v=ZlvfYmfefSI, Text siehe unten). Sie schaut herausfordernd in die Kamera, als wollte sie sagen: „Trau dich ja nicht, über mich und mein Aussehen zu richten!“
„Wer oder was bestimmt unseren Wert? „Am I my stomach? My hips?“ Andere sehen uns an und sehen nur die Oberfläche: die Kleidung, vielleicht den Körper oder auch nur Teile davon. Und dem folgt ein Urteil, oft prasseln diese Urteile hart auf uns ein. Billie Eilish macht Mut, sich davon zu befreien. „Is my value based only on your perception?“ Ergibt sich mein Wert aus deiner Sichtweise von mir?! Von solchen Gedanken sollten wir uns frei machen! Wir entscheiden selbst, was wir wert sind, sagt sie.
Unser heutiges Musikbeispiel ist anrührend, vielleicht auch eine Spur zu pathetisch, doch seine Botschaft ist deshalb nicht weniger wichtig. Es ist aus dem Musicalfilm The Greatest Showman: This is me (gesungen von Keala Settle, die im Film eine bärtige Frau spielt: https://www.youtube.com/watch?v=CjxugyZCfuw).
„Niemand wird dich so lieben, wie du bist!“ Dieser Zuschreibung will sich die bärtige Sängerin nicht länger unterwerfen und versucht sich zu befreien von den Vorwürfen und dem Spott der anderen. Sie nimmt also ihren Mut und auch ihre Wut zusammen und zeigt sich. Sie sieht zwar weder „normal“ noch „schön“ aus - nach den dargestellten Konventionen. Doch ist das zum einen Ansichtssache, und zum anderen kann das niemals ein Urteil über ihre Person rechtfertigen. Sie will sich nicht von anderen vorschreiben lassen, wie sie zu sein hat. Ein Urteil über ihr Sein steht niemandem zu!
Diese Botschaft ist wertvoll und hat es immer wieder nötig erneut gesagt zu werden! Und doch geht sie mir nicht weit, nicht tief genug.
Denn auch, wenn nicht die anderen, sondern nur ich allein über meinen Wert urteile, ist das schon einer zu viel. Denn auch ich selbst habe ja nicht immer die Kraft oder einen Grund, stolz auf mich selbst zu sein. Ich komme auf den Blick in den Spiegel zurück. Selbst da, wo andere Großes, Schönes, Reines und Strahlendes sehen, da weiß ich ja um die Hintergründe, um einen hässlichen Fleck, der dahinter liegt, gut verborgen vor den unbarmherzigen Augen der Welt.
„Sei du selbst und sei stolz darauf!“ ist ein guter Anfang – und steht doch auf wackeligen Füßen. Einen Schritt weiter gehen dabei einige Personen aus der Bibel, die uns dabei als Vorbilder dienen können.
Der Prophet Jeremia zum Beispiel: „Ich bin zu jung“, hat er gesagt. Und Gott antwortet: „Ich bin bei dir.“ (Jer 1,6.8) Gott lenkt den Blick vom Unvermögen seines Propheten hin auf seinen Beistand – der ist alles, was Jeremia braucht.
Und Paulus: Ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. (1. Kor 15,9f)
Ich bin nicht erst dann liebenswert, wenn ich es mir erkämpft, es mir verdient habe. „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Und das ist kein triumphaler Satz, weil Paulus ja so hart gearbeitet hat (auch wenn er diese Information hier ganz dezent einstreut). Sondern das löst meinen Wert von den Zuschreibungen anderer und meiner selbst, das löst meinen Wert auch von meinen tatsächlichen Fähigkeiten und Eigenschaften. Durch Gottes Gnade bin ich liebenswert, trotz meiner Schattenseiten – aber auch: nicht wegen meiner eigenen Erfolge. Die brauche ich gar nicht, all das ist schlicht nicht entscheidend. Entscheidend ist nur dieses eine: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. (Jer 31,3) Das ist es, was ich mir vor dem Spiegel sagen möchte!



Billie Elish: Not my responsibility
Do you know me?
Really know me?
You have opinions
About my opinions
About my music
About my clothes
About my body
Some people hate what I wear
Some people praise it
Some people use it to shame others
Some people use it to shame me
But I feel you watching
Always
And nothing I do goes unseen
So while I feel your stares
Your disapproval
Or your sigh of relief
If I lived by them
I'd never be able to move
Would you like me to be smaller?
Weaker?
Softer?
Taller?
Would you like me to be quiet?
Do my shoulders provoke you?
Does my chest?
Am I my stomach?
My hips?
The body I was born with
Is it not what you wanted?
If I wear what is comfortable
I am not a woman
If I shed the layers
I'm a slut
Though you've never seen my body
You still judge it
And judge me for it
Why?
We make assumptions about people
Based on their size
We decide who they are
We decide what they're worth
If I wear more
If I wear less
Who will decide what that makes me?
What that means?
Is my value based only on your perception?
Or is your opinion of me
Not my responsibility